Eine Preisanfrage ist die formelle Aufforderung an potenzielle Lieferanten, ein verbindliches Angebot für spezifische Produkte oder Dienstleistungen zu erstellen. Sie ermöglicht dem Einkauf einen strukturierten Preisvergleich und bildet die Grundlage für Verhandlungen sowie die finale Lieferantenauswahl. Im internationalen Kontext wird sie als "Request for Quotation" (RFQ) bezeichnet und zielt gezielt darauf ab, zu ermitteln, ob ein Lieferant einen bestimmten Kaufpreis einhalten kann.
Die Preisanfrage nimmt eine zentrale Position in der dritten Phase des fünfstufigen Beschaffungsprozesses ein – dem Bestellprozess. Nach der Bedarfsermittlung und der Vorauswahl potenzieller Lieferanten folgt das systematische Einholen von Angeboten, wobei die Preisanfrage das formale Instrument darstellt. Sie dient nicht nur der reinen Preisermittlung, sondern erfüllt mehrere strategische Funktionen im Einkauf:
Durch Preisanfragen erhalten Einkäufer aktuelle und marktgerechte Preise für benötigte Waren und Dienstleistungen. Diese Transparenz ist entscheidend, um überhöhte Preise zu identifizieren und Produkte zu marktgerechten Konditionen zu beschaffen. Die systematische Erfassung von Preisen über verschiedene Anbieter hinweg schafft eine solide Datenbasis für zukünftige Verhandlungen und Budgetplanungen.
Preisanfragen liefern die notwendigen Informationen, um interne Kostenkalkulationen durchzuführen und den Einstandspreis zu ermitteln. Dabei werden nicht nur die reinen Einkaufspreise (EKP) berücksichtigt, sondern auch die gesamten Beschaffungskosten inklusive Logistik, Versicherungen und mögliche Rabatte oder Skonti. Diese umfassende Betrachtung ist essenziell für eine akkurate Gesamtkostenrechnung.
Die durch Preisanfragen gewonnenen Informationen bilden die Ausgangsbasis für Preisverhandlungen mit Lieferanten. Einkäufer können mit fundierten Daten in Verhandlungen gehen und so bessere Konditionen erzielen. Die Preisanalyse ermöglicht es, unrealistische Preisforderungen zu identifizieren und mit Fakten zu argumentieren.
Preisanfragen dienen als wichtiges Instrument im Rahmen der Lieferantenauswahl. Sie helfen dabei, den optimalen Lieferanten hinsichtlich Zuverlässigkeit, Lieferbereitschaft, Qualität und Kaufpreis zu ermitteln. Insbesondere bei neuen oder strategisch wichtigen Beschaffungsvorgängen ist eine sorgfältige Auswahl auf Basis fundierter Informationen entscheidend.
In der Praxis werden die Begriffe Preisanfrage und Angebotsanfrage häufig synonym verwendet, sie weisen jedoch nuancierte Unterschiede auf:
Eine Preisanfrage (Request for Quotation, RFQ) fokussiert sich primär auf die Preiskomponente und fragt gezielt nach, ob ein Lieferant einen bestimmten Kaufpreis einhalten kann. Sie kommt besonders dann zum Einsatz, wenn die technischen Spezifikationen bereits klar definiert sind und hauptsächlich der Preis als Entscheidungskriterium dient.
Eine Angebotsanfrage (Request for Proposal, RFP) ist dagegen umfassender und zielt auf ein vollständiges Angebot ab, das neben dem Preis auch technische Lösungsvorschläge, Lieferbedingungen, Qualitätsaspekte und weitere Leistungsmerkmale umfasst. Sie wird typischerweise eingesetzt, wenn komplexere Produkte oder Dienstleistungen beschafft werden sollen und der Lieferant sein Fachwissen einbringen soll.
Eine professionelle Preisanfrage sollte klar strukturiert sein und alle relevanten Informationen enthalten, die ein Lieferant benötigt, um ein fundiertes Angebot abzugeben. Folgende Elemente sind dabei essenziell:
Ein Automobilzulieferer benötigt 10.000 Stück spezialisierte Metallgehäuse für eine neue Produktionslinie. Der Einkauf versendet eine detaillierte Preisanfrage an drei qualifizierte Lieferanten, die folgende spezifische Elemente enthält:
Nach Erhalt der Angebote führt der Einkäufer eine systematische Bewertung durch, bei der neben dem Preis auch Qualität, Lieferzuverlässigkeit und technische Kompetenz berücksichtigt werden. Die Auswertung zeigt folgende Ergebnisse:
Obwohl Lieferant B den niedrigsten Stückpreis anbietet, entscheidet sich der Einkäufer nach einer Total-Cost-of-Ownership-Analyse und unter Berücksichtigung aller Faktoren für Lieferant A, da dieser die beste Kombination aus Preis, Qualität und Lieferzuverlässigkeit bietet.
Die Digitalisierung hat den Prozess der Preisanfrage fundamental verändert und bietet enormes Potenzial für Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen. Durch den Einsatz digitaler Plattformen und E-Procurement-Systeme können Unternehmen den gesamten Prozess von der Anfrage bis zur Auswertung optimieren.
Studien zeigen, dass digitalisierte Beschaffungsprozesse die Kosten pro Bestellung von durchschnittlich 115 Euro (manuell) auf 67 Euro (digital) senken können – eine Einsparung von über 40%. Diese Effizienzsteigerung resultiert aus verschiedenen Faktoren:
Die digitale Preisanfrage ist ein essenzieller Bestandteil des modernen E-Procurement und lässt sich nahtlos in den gesamten digitalen Beschaffungsprozess integrieren. Besonders wertvoll ist die Verbindung zu anderen Systemen und Prozessen:
Die Digitalisierung der Preisanfrage entwickelt sich kontinuierlich weiter. Bis 2027, also in nicht einmal zwei Jahren, streben Unternehmen eine durchschnittliche Digitalisierungsrate im Einkauf von 70% an, wobei jährlich durchschnittlich 1,2 Millionen Euro in die Digitalisierung der Beschaffung investiert werden sollen. Folgende Trends zeichnen sich ab:
Um den maximalen Nutzen aus Preisanfragen zu ziehen, sollten Einkäufer folgende Erfolgsfaktoren beachten:
Die Preisanfrage ist weit mehr als ein formaler Schritt im Beschaffungsprozess – sie ist ein strategisches Instrument, das bei professioneller Anwendung erhebliche Wettbewerbsvorteile generieren kann. Als Basis für fundierte Einkaufsentscheidungen ermöglicht sie Transparenz über Marktpreise, schafft Verhandlungsspielräume und trägt maßgeblich zur Kostenoptimierung bei. In Zeiten volatiler Märkte und komplexer Lieferketten wird die Fähigkeit, effektive Preisanfragen durchzuführen, zu einer Kernkompetenz im strategischen Einkauf.
Die Digitalisierung hat das Potenzial der Preisanfrage weiter verstärkt, indem sie Prozesse automatisiert, die Datenqualität verbessert und neue Analysemöglichkeiten eröffnet. Mit Kosteneinsparungen von bis zu 40% pro Bestellvorgang bietet die digitale Transformation des Preisanfrageprozesses ein enormes Einsparpotenzial, das moderne Einkaufsorganisationen nicht ignorieren können. Zukunftsorientierte Unternehmen sollten daher in die Digitalisierung ihrer Preisanfrageprozesse investieren und diese kontinuierlich weiterentwickeln.
Für Einkaufsleiter und Procurement-Experten bedeutet dies, die Preisanfrage nicht als isolierten Prozessschritt zu betrachten, sondern als integralen Bestandteil einer umfassenden Beschaffungsstrategie, die durch digitale Werkzeuge optimal unterstützt wird. Nur so lässt sich das volle Potenzial dieses fundamentalen Instruments im modernen Einkauf ausschöpfen und nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen.