Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR - European Union Deforestation Regulation) ist eine ab 30. Dezember 2025 für große und mittlere Unternehmen verbindliche EU-Regulierung, die den Import und Handel von Produkten verbietet, die zu Entwaldung oder Waldschädigung beitragen. Im Einkauf verlangt sie umfassende Due-Diligence-Prüfungen bei kritischen Rohstoffen wie Palmöl, Holz, Kaffee, Kakao, Rindern, Kautschuk und Soja sowie deren Folgeprodukten, wobei Unternehmen nachweisen müssen, dass ihre Produkte nicht von Flächen stammen, die nach dem 31. Dezember 2020 durch Waldrodung entstanden sind.
Die EUDR wurde am 31. Mai 2023 verabschiedet und trat offiziell am 29. Juni 2023 in Kraft. Ihre Anwendung erfolgt jedoch stufenweise, um den Unternehmen ausreichend Zeit für die Umsetzung zu geben. Ab dem 30. Dezember 2025 gilt die Verordnung für große und mittlere Unternehmen, ab dem 30. Juni 2026 auch für kleine und Kleinstunternehmen. Diese Staffelung berücksichtigt die unterschiedlichen Kapazitäten und Ressourcen von Unternehmen verschiedener Größe.
Das zentrale Ziel der EUDR ist es, die globale Entwaldung und Waldschädigung zu reduzieren, die maßgeblich durch die Erzeugung und den Konsum bestimmter Rohstoffe und Produkte verursacht wird. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind in den letzten 30 Jahren weltweit rund 420 Millionen Hektar Wald verloren gegangen – eine Fläche, die größer ist als die Europäische Union. Bis zu 90 Prozent dieser Abholzungen sollen landwirtschaftlichen Zwecken gewichen sein.
Die Definition des "Marktteilnehmers" in der EUDR ist besonders relevant für Einkäufer. Gemäß Artikel 2 Nummer 15 ist ein Marktteilnehmer eine natürliche oder juristische Person, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse auf dem Markt in Verkehr bringt oder ausführt. Unter gewerblicher Tätigkeit wird die Verarbeitung, der Vertrieb und die Verwendung verstanden.
Die EUDR regelt den Handel mit sieben Hauptrohstoffen und deren Folgeprodukten:
Die Liste der Folgeprodukte ist umfangreich und reicht von offensichtlichen Produkten wie Möbeln aus Holz bis hin zu weniger offensichtlichen wie Koffein in Pharmaprodukten oder Dichtungsringen mit Kautschuk. Wichtig zu verstehen ist, dass auch Bedienungsanleitungen und andere Dokumentationen, die diese Rohstoffe enthalten (beispielsweise Papier), unter die Verordnung fallen können.
Im Zentrum der EUDR stehen umfassende Sorgfaltspflichten, die in einem dreistufigen Prozess umgesetzt werden müssen:
Unternehmen müssen detaillierte Informationen über die Lieferkette sammeln und dokumentieren. Dazu gehören:
Besonders die Anforderung der Geolokalisierung stellt Einkäufer vor große Herausforderungen, da diese Daten oft nicht ohne Weiteres verfügbar sind und eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten erfordern.
Basierend auf den gesammelten Informationen müssen Unternehmen eine gründliche Risikobewertung durchführen:
Die Risikobewertung muss nachvollziehbar dokumentiert werden und dient als Grundlage für die weiteren Maßnahmen im Due-Diligence-Prozess.
Werden Risiken identifiziert, müssen Unternehmen angemessene Maßnahmen zur Risikominderung ergreifen:
Die Sorgfaltspflichten der EUDR müssen jährlich überprüft werden, und Unternehmen, die keine KMUs sind, müssen öffentlich über ihre Maßnahmen berichten.
Für Einkaufsabteilungen bedeutet die EUDR eine grundlegende Transformation ihrer Beschaffungsprozesse. Folgende Strategien können dabei helfen, die Anforderungen effizient umzusetzen:
Die EUDR erfordert eine Neuausrichtung der Beschaffungsstrategie, die über die traditionellen Fokuspunkte Kosten und Effizienz hinausgeht. Einkäufer müssen ihre Prozesse anpassen, um die neuen Anforderungen zu integrieren:
Ein proaktives Lieferantenmanagement wird zum Schlüsselfaktor für die EUDR-Compliance:
Die lückenlose Dokumentation ist entscheidend für die EUDR-Compliance:
Die Komplexität der EUDR-Anforderungen macht die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen unverzichtbar. Moderne IT-Lösungen bilden das Rückgrat für eine effiziente und rechtssichere EUDR-Compliance.
Die manuelle Erfassung und Verwaltung der umfangreichen EUDR-Anforderungen ist kaum praktikabel. Digitale Lösungen bieten entscheidende Vorteile:
Die initiale Investition in digitale Lösungen zahlt sich durch reduzierte operative Kosten, minimierte Compliance-Risiken und verbesserte Transparenz mehrfach aus.
Spezielle EUDR-Software bietet eine Reihe wichtiger Funktionen zur Unterstützung der Compliance-Prozesse:
Für kleinere Unternehmen liegen die Kosten für eine EUDR-Software bei etwa 10.000 Euro bis 50.000 Euro pro Jahr, während mittlere bis große Unternehmen mit vielen Lieferanten und Produktgruppen mit Kosten zwischen 50.000 Euro und 150.000 Euro pro Jahr rechnen müssen.
Die nahtlose Integration der EUDR-Lösung in bestehende Einkaufs- und ERP-Systeme ist entscheidend für eine effiziente Umsetzung:
Diese Integration minimiert den manuellen Aufwand und stellt sicher, dass alle Systeme mit konsistenten Daten arbeiten.
Ein mittelständischer Lebensmittelhersteller, der Kaffee und Kakao für seine Produkte importiert, steht vor der Herausforderung, seine Beschaffungsprozesse EUDR-konform zu gestalten. Das Unternehmen implementiert folgende Maßnahmen:
Das Unternehmen arbeitet eng mit seinen Hauptlieferanten zusammen, um die erforderlichen Geolokalisierungsdaten zu erhalten. Für bestimmte Hochrisikoregionen werden zusätzlich unabhängige Audits durchgeführt, um die Einhaltung der EUDR-Anforderungen zu gewährleisten.
Die Implementierung der EUDR-Prozesse führt zunächst zu einer Erhöhung der Beschaffungskosten um etwa 3-5%, die jedoch teilweise durch eine effizientere Lieferkettensteuerung und die Vermeidung von Compliance-Risiken kompensiert werden.
Ein Automobilzulieferer, der Kautschuk für die Produktion von Dichtungen verwendet, steht vor besonderen Herausforderungen aufgrund der Komplexität seiner Lieferkette:
Das Unternehmen implementiert folgende Lösungsansätze:
Trotz dieser Maßnahmen bleiben Herausforderungen bestehen, insbesondere bei der Beschaffung der Geolokalisierungsdaten von Kleinbauern in abgelegenen Regionen. Das Unternehmen arbeitet daher mit lokalen NGOs zusammen, um die Datenerfassung zu unterstützen und die Compliance-Fähigkeiten der Kleinbauern zu verbessern.
Die Implementierung der EUDR-Anforderungen stellt Unternehmen vor diverse Herausforderungen:
Erfolgreiche Strategien zur Bewältigung dieser Herausforderungen umfassen:
Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) stellt Einkaufsabteilungen vor beispiellose Herausforderungen, bietet aber auch die Chance, Lieferketten nachhaltiger und transparenter zu gestalten. Der Erfolg bei der Umsetzung der EUDR-Anforderungen hängt maßgeblich von der frühzeitigen Vorbereitung, der systematischen Implementierung von Prozessen und der strategischen Nutzung digitaler Lösungen ab.
Wichtige Handlungsempfehlungen für Einkäufer sind:
Die EUDR markiert einen Wendepunkt für nachhaltiges Lieferkettenmanagement und wird den Einkauf langfristig verändern. Unternehmen, die proaktiv handeln und die Verordnung als Chance für eine strategische Neuausrichtung ihrer Beschaffungsprozesse begreifen, werden nicht nur Compliance-Risiken minimieren, sondern können auch Wettbewerbsvorteile erzielen und einen positiven Beitrag zum globalen Waldschutz leisten.