Die Fremdvergabeanalyse ist ein systematischer Bewertungsprozess zur Entscheidung, ob Unternehmensaufgaben oder -prozesse intern durchgeführt oder an externe Dienstleister vergeben werden sollten. Sie umfasst die ganzheitliche Betrachtung strategischer, operativer, finanzieller und risikobezogener Faktoren und bildet die Grundlage für fundierte Make-or-Buy-Entscheidungen im Beschaffungswesen. Im Kern geht es dabei um folgende Aspekte:
Die Fremdvergabeanalyse hat sich von einem rein kostenbezogenen Instrument zu einem strategischen Werkzeug im modernen Einkauf entwickelt. Sie hilft Unternehmen, ihre Wertschöpfungstiefe zu optimieren und sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren. Durch die systematische Analyse der Fremdvergabeoptionen können Unternehmen nicht nur Kostenvorteile realisieren, sondern auch ihre Flexibilität erhöhen, Innovationen fördern und Wettbewerbsvorteile erzielen.
Im Kontext zunehmender Marktkomplexität und Globalisierung gewährleistet eine fundierte Fremdvergabeanalyse, dass strategische Aspekte adäquat berücksichtigt werden. Die Entscheidung, bestimmte Leistungen auszulagern, hat weitreichende Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur, die Kostenstruktur und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Eine detaillierte und methodische Analyse ist daher unerlässlich, um Fehlentscheidungen zu vermeiden und die strategischen Ziele des Unternehmens zu unterstützen.
Die Betrachtung der Eigenfertigung versus Fremdvergabe hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und reflektiert die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Unternehmensanforderungen.
Beim traditionellen Ansatz der Fremdvergabeanalyse standen primär kurzfristige Kosteneinsparungen im Vordergrund. Unternehmen lagerten vorwiegend periphere, nicht-strategische Aufgaben aus, um interne Ressourcen zu schonen. Charakteristisch waren einfache Verträge mit klar definierten Leistungen, jedoch ohne langfristige Bindung oder strategische Partnerschaft. Die hauptsächlichen Herausforderungen lagen in mangelnder Flexibilität, geringer Innovationskraft und unzureichendem Management versteckter Kosten.
Der moderne strategische Ansatz hingegen betrachtet die Fremdvergabe als Teil der Unternehmensstrategie. Hier werden externe Dienstleister tief in die Wertschöpfungskette des Unternehmens integriert. Nicht nur die Kosteneinsparung steht im Fokus, sondern die gemeinsame Erreichung von Unternehmenszielen. Innovationen wie agiles Vertragsmanagement, gemeinsame Entwicklungsprojekte und der Einsatz moderner Technologien ermöglichen effizientere Prozesse und nachhaltige Wettbewerbsvorteile.
Eine strukturierte Fremdvergabeanalyse folgt typischerweise einem mehrstufigen Prozess, der eine systematische Entscheidungsfindung ermöglicht. Das folgende Phasenmodell bildet einen bewährten Rahmen für die Durchführung einer umfassenden Analyse:
Dieses strukturierte Vorgehen stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte in die Entscheidungsfindung einfließen und eine objektive Bewertung der Alternativen ermöglicht wird. Es dient als Filtersystem, um strategische Aspekte adäquat zu berücksichtigen und Klarheit bezüglich des Outsourcing-Umfangs, der Leistungsanforderungen und der möglichen Gestaltungsoptionen zu erlangen.
Eine umfassende Fremdvergabeanalyse berücksichtigt verschiedene Dimensionen, die weit über eine reine Kostenbetrachtung hinausgehen. Folgende Kriterien sollten in die Analyse einfließen:
Die wirtschaftliche Bewertung bildet oft den Ausgangspunkt einer Fremdvergabeanalyse, sollte jedoch nicht als alleiniges Entscheidungskriterium dienen:
Ein häufiger Fehler in der Praxis ist die unzureichende Berücksichtigung versteckter Kosten und langfristiger Kosteneffekte. Eine belastbare Wirtschaftlichkeitsrechnung muss alle durch die Fremdvergabe anfallenden Kosten mit den tatsächlich entfallenden Kosten vergleichen, wobei auch die zeitliche Dimension (kurz-, mittel- und langfristige Effekte) zu berücksichtigen ist.
Die strategische Dimension der Fremdvergabeanalyse ist entscheidend für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens:
Die Fokussierung auf Kernkompetenzen ist ein zentrales strategisches Argument für die Fremdvergabe. Unternehmen sollten sich auf die Aktivitäten konzentrieren, die besondere Kompetenzen darstellen, Differenzierungspotenzial bieten und besonderen Kundennutzen schaffen. Leistungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, sind aus strategischer Sicht potenzielle Kandidaten für eine Fremdvergabe.
Die systematische Risikoanalyse ist ein unverzichtbarer Bestandteil jeder Fremdvergabeentscheidung:
Ein bekanntes Beispiel für Versorgungsrisiken ist der Produktionsstillstand bei Ford im Jahr 1998 aufgrund fehlender Türschlösser. Dieses Ereignis verdeutlicht die potenziellen Risiken einer zu hohen Abhängigkeit von externen Lieferanten und unterstreicht die Bedeutung eines umfassenden Risikomanagements im Rahmen der Fremdvergabeanalyse.
Die operativen Aspekte beeinflussen die tägliche Zusammenarbeit und die Effizienz der Prozesse:
Die Berücksichtigung dynamischer Marktentwicklungen ist hierbei besonders wichtig. Eine steigende Nachfrage kann beispielsweise zu längeren Lieferzeiten bei externen Dienstleistern führen, was sich negativ auf die Verfügbarkeit der benötigten Leistungen auswirken kann. Diese Faktoren müssen mit der Auslastungssituation der eigenen Fertigung abgeglichen werden.
Die Etablierung eines strukturierten Make-or-Buy-Mechanismus ermöglicht eine systematische und konsistente Entscheidungsfindung über Eigenleistung oder Fremdbezug. Ein solcher Mechanismus stellt sicher, dass Entscheidungen auf Basis objektiver Kriterien getroffen werden und nicht von subjektiven Einschätzungen oder Vorurteilen geprägt sind.
Die Implementierung umfasst typischerweise folgende Schritte:
Die institutionelle Verankerung des Make-or-Buy-Mechanismus im Controlling sichert die Akzeptanz bei allen Beteiligten und gewährleistet eine konsistente Anwendung über verschiedene Bereiche und Zeiträume hinweg.
Ein mittelständisches Fertigungsunternehmen stand vor der Entscheidung, die Produktion bestimmter Komponenten auszulagern. Die systematische Fremdvergabeanalyse umfasste folgende Schritte:
Das Unternehmen produzierte bisher alle Komponenten selbst, sah sich jedoch mit steigenden Kosten und Kapazitätsengpässen konfrontiert. Ziel war es, durch die potenzielle Fremdvergabe bestimmter Nicht-Kernkomponenten die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und Ressourcen für strategisch wichtigere Aufgaben freizusetzen.
Zunächst wurde vom Controlling ein Vergleichsstundensatz ermittelt, der die internen Fertigungskosten (variable Herstellkosten plus Fixkostenumlage) mit den externen Beschaffungskosten (variable Herstellkosten des Lieferanten, dessen Gemeinkostenumlage sowie Transaktionskosten) verglich.
Anschließend wurden weitere Kriterien in die Analyse einbezogen:
Basierend auf der umfassenden Analyse entschied das Unternehmen, bestimmte standardisierte Komponenten mit geringer strategischer Relevanz fremdzuvergeben. Für Komponenten mit hoher strategischer Bedeutung oder kritischen Qualitätsanforderungen wurde die Eigenfertigung beibehalten.
Die Ergebnisse spiegelten sich insbesondere in einer optimierten Koordination und Kooperation der Bereiche Einkauf und Fertigung wider. Durch die Berücksichtigung vielfältiger Kriterien konnten Risiken minimiert und eine höhere Planungssicherheit erreicht werden. Nach einem Jahr zeigte sich eine Kostenreduzierung von 15% bei den ausgelagerten Komponenten und eine Steigerung der Produktivität in den strategischen Fertigungsbereichen um 20%.
Ein multinationales Unternehmen führte eine Fremdvergabeanalyse für seine IT-Infrastruktur durch, um die Modernisierung und Optimierung der Systeme zu erreichen.
Das Unternehmen betrieb seine IT-Infrastruktur seit Jahren intern, sah sich jedoch mit steigenden Kosten, veralteter Technologie und zunehmendem Fachkräftemangel konfrontiert. Ziel der Fremdvergabeanalyse war es, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, den Zugang zu innovativen Technologien zu sichern und die IT-Abteilung von Routineaufgaben zu entlasten.
Im Rahmen der Fremdvergabeanalyse wurden folgende Aspekte detailliert untersucht:
Basierend auf der umfassenden Analyse entschied sich das Unternehmen für ein strategisches Outsourcing der IT-Infrastruktur an einen führenden Technologieanbieter. Durch die strategische Partnerschaft konnte das Unternehmen innerhalb von sechs Monaten seine Systeme in die Cloud migrieren. Dies führte zu einer Kostenreduzierung von 25% und einer Steigerung der Systemverfügbarkeit auf 99,9%. Zudem ermöglichte der Zugang zu innovativen Technologien eine schnellere Reaktion auf Marktanforderungen und verbesserte die globalen Kommunikationsprozesse erheblich.
Besonders wertvoll war die Freisetzung interner IT-Ressourcen für strategische Projekte und Innovationen, was die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig stärkte. Die systematische Fremdvergabeanalyse stellte sicher, dass alle relevanten Faktoren berücksichtigt wurden und eine fundierte Entscheidung getroffen werden konnte.
Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten für eine effizientere und präzisere Durchführung von Fremdvergabeanalysen. Moderne SRM-Systeme und spezialisierte Analysewerkzeuge unterstützen den Entscheidungsprozess und verbessern die Datenqualität und -verfügbarkeit.
Folgende digitale Lösungen können den Analyseprozess maßgeblich verbessern:
Die Integration der Fremdvergabeanalyse in bestehende SRM-Systeme bietet erhebliche Vorteile:
Durch die digitale Transformation der Fremdvergabeanalyse können Unternehmen nicht nur die Effizienz des Prozesses steigern, sondern auch die Qualität der Entscheidungen verbessern. Die automatisierte Erfassung und Analyse relevanter Daten ermöglicht eine objektivere Bewertung der Alternativen und reduziert subjektive Einflüsse.
Die Durchführung einer effektiven Fremdvergabeanalyse ist mit verschiedenen Herausforderungen verbunden, für die es bewährte Lösungsansätze gibt:
Die erfolgreiche Durchführung einer Fremdvergabeanalyse erfordert ein strukturiertes Vorgehen und die Berücksichtigung aller relevanten Faktoren. Besonders wichtig ist dabei die Einbindung aller betroffenen Stakeholder, um deren Expertise zu nutzen und Widerstände frühzeitig zu adressieren.
Die Fremdvergabeanalyse ist ein essentielles Instrument im strategischen Einkauf, das weit über einen einfachen Kostenvergleich hinausgeht. Eine fundierte Analyse berücksichtigt wirtschaftliche, strategische, operative und risikobezogene Faktoren und ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung der Alternativen. Die Implementierung eines strukturierten Make-or-Buy-Mechanismus unterstützt die systematische Entscheidungsfindung und stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Effizienz und Qualität der Fremdvergabeanalyse zu verbessern.
Für eine erfolgreiche Implementierung einer systematischen Fremdvergabeanalyse empfehlen wir folgende Maßnahmen: