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Strategisches Warengruppenmanagement - Datenbasiert Kosten senken und Lieferrisiken minimieren
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Optimale Bestellmenge: Kernkonzept für kosteneffizienten Einkauf

Die optimale Bestellmenge bildet das mathematische Fundament für ein effizientes Bestandsmanagement, indem sie präzise die wirtschaftlichste Ordergröße bestimmt, bei der Lager- und Bestellkosten in perfekter Balance stehen und somit maximale Kostenersparnis bei gleichzeitiger Lieferfähigkeit sicherstellt.

Was ist die optimale Bestellmenge?

Die optimale Bestellmenge (Economic Order Quantity, EOQ) beschreibt die wirtschaftlich vorteilhafteste Bestellmenge, bei der die Summe aus Bestell- und Lagerhaltungskosten minimal ist. Sie ermöglicht Unternehmen, den perfekten Ausgleich zwischen zu häufigen Bestellungen mit hohen Prozesskosten und zu großen Lagerbeständen mit hoher Kapitalbindung zu finden.

  • Zentrales Steuerungsinstrument für kosteneffiziente Beschaffung
  • Mathematisches Optimierungsmodell zur Minimierung der Gesamtkosten
  • Ausgleich zwischen Bestellkosten und Lagerhaltungskosten
  • Basis für wirtschaftliche Beschaffungsentscheidungen im operativen Einkauf

Inhalt

Theoretische Grundlagen der optimalen Bestellmenge

Das Konzept der optimalen Bestellmenge basiert auf der Erkenntnis, dass mit steigender Bestellmenge die Bestellkosten sinken, während die Lagerhaltungskosten zunehmen. Dieser gegenläufige Kostenverlauf führt zu einem Minimum der Gesamtkosten bei einer bestimmten Bestellmenge – der optimalen Bestellmenge.

Die theoretische Basis für die Berechnung stammt von Ford W. Harris, der bereits 1913 die Grundlagen entwickelte. Karl Andler griff diese auf und popularisierte das Konzept im deutschsprachigen Raum, weshalb die Berechnungsformel im Deutschen auch als "Andler'sche Formel" bekannt ist.

Die Andler-Formel: Mathematische Grundlage der Berechnung

Die optimale Bestellmenge wird mit der Andler-Formel berechnet:

q = √((2 × Jahresbedarf × Bestellkosten) / (Einstandspreis pro Mengeneinheit × Lagerkostensatz))

Wobei:

  • q = optimale Bestellmenge in Stück
  • Jahresbedarf = jährlicher Bedarf in Stück
  • Bestellkosten = Kosten pro Bestellung in Euro
  • Einstandspreis = Preis pro Stück in Euro
  • Lagerkostensatz = prozentualer Anteil der jährlichen Lagerkosten am Warenwert

Kostenkomponenten der optimalen Bestellmenge

Für die präzise Ermittlung der optimalen Bestellmenge ist ein tiefgreifendes Verständnis der relevanten Kostenkomponenten unverzichtbar. Diese lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: Bestellkosten und Lagerhaltungskosten.

Bestellkosten

Die Bestellkosten umfassen sämtliche Kosten, die bei der Auslösung und Abwicklung einer Bestellung anfallen, unabhängig von der bestellten Menge. Sie sind mengenfix, aber vorgangsvariabel.

  • Personalkosten: Arbeitszeit für Bedarfsermittlung, Lieferantenauswahl, Angebotsvergleich und Bestellabwicklung
  • Kommunikationskosten: Telefon-, E-Mail- und Systemkosten
  • Prüf- und Qualitätskosten: Wareneingangskontrollen und Qualitätssicherung
  • Verwaltungskosten: Dokumentation, Archivierung und Rechnungsprüfung
  • Systemkosten: Anteilige Kosten für ERP- und Beschaffungssysteme

Lagerhaltungskosten

Die Lagerhaltungskosten steigen proportional mit der Bestellmenge und der Lagerdauer. Sie sind mengenvariabel und zeitabhängig.

  • Kapitalbindungskosten: Opportunitätskosten des in Beständen gebundenen Kapitals
  • Raumkosten: Miete, Abschreibungen, Energie- und Instandhaltungskosten für Lagerflächen
  • Personalkosten: Lohn- und Gehaltskosten für Lagerpersonal
  • Versicherungskosten: Prämien für Lagerversicherungen
  • Wertminderungskosten: Schwund, Verderb, Veralterung und Wertverlust der gelagerten Waren
  • Handlingkosten: Ein- und Auslagerung, Bestandskontrollen und Inventuren

Leitfaden: Optimale Bestellmenge berechnen und Lagerkosten minimieren

Einflussfaktoren auf die optimale Bestellmenge

Die optimale Bestellmenge wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, die bei der Berechnung und praktischen Anwendung berücksichtigt werden müssen.

Bedarfsschwankungen

In der Praxis ist der Bedarf selten konstant. Saisonale Schwankungen, Marktentwicklungen oder unerwartete Ereignisse können den Bedarf erheblich beeinflussen. Fortschrittliche Bedarfsprognosemodelle und regelmäßige Anpassungen der optimalen Bestellmenge sind daher unerlässlich.

Mengenrabatte

Die klassische Andler-Formel berücksichtigt keine Mengenrabatte. In der Praxis können größere Bestellmengen jedoch zu niedrigeren Einkaufspreisen führen. Dies erfordert eine modifizierte Berechnung, bei der die Einsparungen durch Mengenrabatte den höheren Lagerhaltungskosten gegenübergestellt werden.

Lagerkapazitäten

Begrenzte Lagerkapazitäten können die theoretisch optimale Bestellmenge einschränken. Hier müssen Unternehmen zwischen der optimalen Bestellmenge und den verfügbaren Lagerkapazitäten abwägen oder Investitionen in zusätzliche Lagerflächen prüfen.

Produktlebenszyklus

Bei Produkten mit kurzen Lebenszyklen oder hoher Obsoleszenzgefahr muss das Risiko der Wertminderung stärker gewichtet werden. Dies führt in der Regel zu kleineren optimalen Bestellmengen.

Praktische Anwendung und Berechnungsbeispiel

Die theoretischen Grundlagen der optimalen Bestellmenge lassen sich am besten anhand eines konkreten Beispiels veranschaulichen. Betrachten wir ein mittelständisches Produktionsunternehmen, das jährlich 24.000 Einheiten eines Zukaufteils benötigt.

Beispiel: Berechnung der optimalen Bestellmenge

Ausgangsdaten:

  • Jahresbedarf: 24.000 Stück
  • Bestellkosten: 100 € pro Bestellung
  • Einstandspreis: 20 € pro Stück
  • Lagerkostensatz: 25% pro Jahr

Berechnung mit der Andler-Formel:

q = √((2 × 24.000 × 100) / (20 × 0,25))

q = √(4.800.000 / 5)

q = √960.000

q = 980 Stück

Bei einer optimalen Bestellmenge von 980 Stück ergibt sich:

  • Anzahl Bestellungen pro Jahr: 24.000 / 980 = 24,5 Bestellungen
  • Bestellkosten pro Jahr: 24,5 × 100 € = 2.450 €
  • Durchschnittlicher Lagerbestand: 980 / 2 = 490 Stück
  • Lagerhaltungskosten pro Jahr: 490 × 20 € × 0,25 = 2.450 €
  • Gesamtkosten: 2.450 € + 2.450 € = 4.900 €

An diesem Beispiel wird das Gleichgewichtsprinzip der optimalen Bestellmenge deutlich: Bei der optimalen Bestellmenge sind die jährlichen Bestellkosten und Lagerhaltungskosten exakt gleich.

Sensitivitätsanalyse

Um die Auswirkungen verschiedener Bestellmengen auf die Gesamtkosten zu verdeutlichen, betrachten wir eine Sensitivitätsanalyse:

  • Bei 490 Stück (50% der optimalen Menge): Bestellkosten: 4.900 €, Lagerhaltungskosten: 1.225 €, Gesamtkosten: 6.125 € (25% höher)
  • Bei 980 Stück (optimale Menge): Bestellkosten: 2.450 €, Lagerhaltungskosten: 2.450 €, Gesamtkosten: 4.900 €
  • Bei 1.960 Stück (200% der optimalen Menge): Bestellkosten: 1.225 €, Lagerhaltungskosten: 4.900 €, Gesamtkosten: 6.125 € (25% höher)

Diese Analyse zeigt: Bei Abweichungen von der optimalen Bestellmenge steigen die Gesamtkosten. Interessanterweise steigen die Kosten bei einem Anstieg der Gesamtkosten um 5% deutlich weniger stark an, wenn die Bestellmenge größer als die optimale Menge ist, verglichen mit einer zu kleinen Bestellmenge. Dies erklärt, warum in der Praxis häufig leicht größere Bestellmengen als die theoretisch optimalen gewählt werden.

Grenzen und Kritik am klassischen EOQ-Modell

Das traditionelle Modell der optimalen Bestellmenge basiert auf vereinfachten Annahmen, die in der komplexen Praxis nicht immer zutreffen. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Limitationen ist für Einkaufsexperten essenziell.

Vereinfachte Annahmen

  • Konstante Nachfrage: In der Realität schwankt die Nachfrage häufig saisonal oder aufgrund von Marktveränderungen.
  • Konstante Lieferzeit: Lieferzeiten können durch zahlreiche externe Faktoren beeinflusst werden.
  • Konstante Kosten: Sowohl Bestell- als auch Lagerkosten können sich über Zeit verändern.
  • Unendliche Lagerkapazität: Die verfügbare Lagerfläche ist in der Praxis begrenzt.
  • Einmalige, vollständige Lieferung: In vielen Fällen erfolgen Teillieferungen oder Just-in-Time-Lieferungen.

Erweiterungen des klassischen Modells

Um die praktischen Einschränkungen zu überwinden, wurden verschiedene Erweiterungen des EOQ-Modells entwickelt:

  • Dynamische EOQ-Modelle: Berücksichtigung schwankender Nachfrage und variabler Kosten
  • Mengenrabatt-Modelle: Integration von gestaffelten Preisen bei größeren Bestellmengen
  • Nachlieferungsmodelle: Berücksichtigung von Teillieferungen und begrenzten Produktionskapazitäten
  • Multiprodukt-EOQ-Modelle: Optimierung bei mehreren Produkten mit gemeinsamen Ressourcen
  • Stochastische Modelle: Berücksichtigung von Unsicherheiten in Nachfrage und Lieferzeit

Digitalisierung und moderne Ansätze

Die Digitalisierung hat die praktische Anwendung der optimalen Bestellmenge revolutioniert. Moderne ERP- und SRM-Systeme ermöglichen eine dynamische und präzise Berechnung unter Berücksichtigung zahlreicher Einflussfaktoren in Echtzeit.

Vorteile digitaler Lösungen

  • Automatisierte Berechnungen: SRM-Systeme führen komplexe Berechnungen der optimalen Bestellmenge automatisch durch und reduzieren manuelle Fehler.
  • Echtzeit-Datenintegration: Aktuelle Bedarfszahlen, Lagerbestände und Kostendaten werden in Echtzeit berücksichtigt.
  • Dynamische Anpassung: Bei Veränderungen von Bedarfen, Kosten oder anderen Parametern erfolgt eine automatische Neuberechnung.
  • Erweiterte Algorithmen: Moderne Systeme berücksichtigen komplexe Faktoren wie Mengenrabatte, Lieferzeitrisiken und Bedarfsschwankungen.
  • Predictive Analytics: KI-basierte Prognosen verbessern die Bedarfsvorhersage und optimieren die Bestellmengen.

Implementierung in digitale Beschaffungsprozesse

Die optimale Bestellmenge wird in modernen Beschaffungsprozessen nicht isoliert betrachtet, sondern in einen ganzheitlichen digitalen Workflow integriert:

  1. Bedarfserfassung durch intelligente Prognosen und automatisierte Meldepunkte
  2. Dynamische Berechnung der optimalen Bestellmenge unter Berücksichtigung aktueller Parameter
  3. Automatisierte Bestellauslösung bei Erreichen der Meldebestände
  4. Lieferantenintegration für Transparenz und kürzere Reaktionszeiten
  5. Kontinuierliche Optimierung durch Machine Learning und Datenanalyse

Integration in das strategische Supply Chain Management

Die optimale Bestellmenge ist kein isoliertes Konzept, sondern ein zentraler Baustein eines ganzheitlichen Supply Chain Managements. Für Einkaufsleiter ist es wichtig, die Bestellmengenoptimierung in den strategischen Kontext einzuordnen.

Zusammenspiel mit anderen SCM-Konzepten

  • Just-in-Time (JIT): Bei JIT-Konzepten werden traditionell kleinere Bestellmengen mit häufigeren Lieferungen angestrebt, was dem klassischen EOQ-Modell widersprechen kann. Moderne Ansätze kombinieren JIT-Prinzipien mit optimierten Bestellmengen.
  • Vendor Managed Inventory (VMI): Bei VMI übernimmt der Lieferant die Bestandsverantwortung, wobei optimale Bestellmengen als Steuerungsparameter dienen können.
  • ABC/XYZ-Analyse: Die Klassifizierung von Artikeln nach Wert und Bedarfsvorhersagegenauigkeit ermöglicht eine differenzierte Anwendung der optimalen Bestellmenge für verschiedene Artikelgruppen.
  • Bullwhip-Effekt-Minimierung: Stabile, optimale Bestellmengen können dazu beitragen, Bestandsschwankungen in der Lieferkette zu reduzieren.

Strategischer Mehrwert für den Einkauf

Die konsequente Anwendung der optimalen Bestellmenge bietet signifikante strategische Vorteile für die Einkaufsabteilung:

  • Kostenreduktion: Minimierung der Gesamtkosten aus Beschaffung und Lagerhaltung
  • Kapitalfreisetzung: Reduzierung der Kapitalbindung in Beständen
  • Prozessoptimierung: Standardisierung und Effizienzsteigerung im operativen Einkauf
  • Planungssicherheit: Erhöhte Transparenz und verbesserte Forecasts
  • Lieferantenbeziehungen: Verlässliche Bestellrhythmen stärken Partnerschaft und Liefertreue

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die optimale Bestellmenge bleibt trotz ihrer theoretischen Ursprünge ein leistungsstarkes Instrument für den modernen strategischen Einkauf. Der größte Nutzen entsteht durch die kritische Anwendung des Konzepts unter Berücksichtigung unternehmensspezifischer Rahmenbedingungen und durch die Integration in digitale Beschaffungsprozesse. Professionelle Einkaufsleiter sollten die optimale Bestellmenge als eines ihrer zentralen Steuerungsinstrumente betrachten, dessen Potenzial durch die Digitalisierung weiter verstärkt wird.

Handlungsempfehlungen für Einkaufsleiter:

  • Kritische Analyse der Kostenstrukturen: Führen Sie eine detaillierte Analyse der tatsächlichen Bestell- und Lagerhaltungskosten durch, um die Berechnungsgrundlagen zu präzisieren.
  • Differenzierte Anwendung: Wenden Sie die optimale Bestellmenge differenziert für verschiedene Artikelgruppen an, basierend auf ABC/XYZ-Klassifizierung und strategischer Bedeutung.
  • Digitalisierung vorantreiben: Investieren Sie in leistungsfähige SRM-Systeme mit dynamischer Bestellmengenberechnung und kontinuierlicher Optimierung.
  • Change Management: Fördern Sie das Verständnis für das Konzept der optimalen Bestellmenge auf allen Ebenen des Unternehmens und überwinden Sie Abteilungssilos.
  • Regelmäßige Überprüfung: Evaluieren Sie periodisch die Effektivität Ihrer Bestellmengenstrategien und passen Sie Parameter bei Veränderungen im Markt oder in der Lieferkette zeitnah an.

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