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CBAM: Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus und seine Bedeutung für den strategischen Einkauf

Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) revolutioniert die Beschaffungsstrategien europäischer Unternehmen durch die Einführung eines CO2-Preises auf importierte emissionsintensive Waren, wodurch der Einkauf vor neue Herausforderungen im Bereich der nachhaltigen Beschaffung gestellt wird und CO2-Emissionen zu einem entscheidenden Kostenfaktor in globalen Lieferketten werden.

Was ist CBAM?

Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist ein klimapolitisches Instrument der Europäischen Union, das einen CO2-Preis auf importierte emissionsintensive Waren erhebt, um Carbon Leakage zu verhindern und faire Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen zu schaffen. CBAM verpflichtet Importeure, für bestimmte in die EU eingeführte Produkte CO2-Zertifikate zu erwerben, deren Preis den im EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) geltenden Kosten entspricht, wodurch die CO2-Emissionen in der vorgelagerten Lieferkette berücksichtigt werden.

Inhalt

Hintergrund und Zweck des CBAM

Klimapolitischer Kontext

CBAM ist ein zentrales Element des europäischen Green Deals und des "Fit für 55"-Pakets der EU. Der Mechanismus ergänzt das seit 2005 bestehende EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS), welches bereits CO2-Emissionen innerhalb der EU bepreist. Das Hauptziel der EU ist es, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, mit einem Zwischenziel einer Reduktion der CO2-Emissionen um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, bedarf es einer Kombination verschiedener Instrumente, wobei CBAM eine entscheidende Rolle spielt, indem es die internationale Dimension der Klimapolitik adressiert.

Das Problem des Carbon Leakage

Ein fundamentales Problem einseitiger Klimapolitik ist das sogenannte "Carbon Leakage". Dieser Begriff beschreibt das Phänomen, dass Unternehmen ihre Produktion aus Regionen mit strikter Klimapolitik (wie der EU) in Länder mit geringeren Umweltauflagen verlagern. Carbon Leakage entsteht, wenn CO2-Preise und andere EU-Maßnahmen zu steigenden Kosten und Wettbewerbsdruck in emissionsintensiven Sektoren führen. Als Folge werden Produktionsstätten ins Nicht-EU-Ausland verlagert oder EU-Produkte durch emissionsintensivere Importe aus Drittstaaten ersetzt. Dies führt dazu, dass Treibhausgasemissionen lediglich ins Ausland mit geringeren Klimazielen verlagert werden, anstatt sie tatsächlich zu reduzieren.

Ziele des CBAM

Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus verfolgt mehrere strategische Ziele. Primär soll er Carbon Leakage verhindern, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen für in- und ausländische Produzenten geschaffen werden. Darüber hinaus soll CBAM sicherstellen, dass die EU-Klimaziele nicht durch Importe aus Ländern mit weniger strengen Klimavorschriften untergraben werden. Ein weiteres Ziel ist die Förderung einer saubereren industriellen Produktion in Drittländern, da der Mechanismus Anreize für internationale Handelspartner schafft, eigene CO2-Bepreisungssysteme einzuführen und ihre Produktionsprozesse zu dekarbonisieren. Letztendlich trägt CBAM zur Transformation von Geschäftsmodellen bei und leistet einen wichtigen Beitrag zur globalen Reduktion von Treibhausgasemissionen.

Funktionsweise des CBAM

Grundprinzip

CBAM funktioniert im Wesentlichen als Ausgleichsmechanismus für CO2-Kosten. Importeure müssen für bestimmte in die EU eingeführte Waren CBAM-Zertifikate erwerben, deren Preis sich nach dem CO2-Gehalt der Waren und dem aktuellen CO2-Preis im EU-ETS richtet. Der Mechanismus ist eng mit dem europäischen Emissionshandel verknüpft und soll die schrittweise Abschaffung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten im EU-ETS begleiten. Damit werden importierte Produkte denselben CO2-Kosten unterworfen wie in der EU hergestellte Produkte, was zu einer Kostenwahrheit führt und einen fairen Wettbewerb ermöglicht.

Berechnung der CBAM-Abgaben

Die CBAM-Abgaben werden auf Basis der eingebetteten Emissionen ("embedded emissions") berechnet, also der Treibhausgase, die bei der Herstellung der importierten Waren freigesetzt wurden. Dabei werden sowohl direkte Emissionen aus dem Produktionsprozess als auch indirekte Emissionen, die etwa durch die Erzeugung der für die Produktion verwendeten Elektrizität entstehen, berücksichtigt. Der Preis der CBAM-Zertifikate orientiert sich am wöchentlichen Durchschnittspreis der Emissionszertifikate im EU-ETS. Wurden im Ursprungsland bereits CO2-Abgaben entrichtet, können diese angerechnet werden, um eine Doppelbelastung zu vermeiden.

Berichtspflichten und Verantwortlichkeiten

Berichtspflichtig ist grundsätzlich der Zollanmelder oder, falls dieser nicht in der EU ansässig ist, sein indirekter Vertreter. Die Importeure müssen quartalsweise einen CBAM-Bericht erstellen, der spätestens einen Monat nach Ende des Quartals vorgelegt werden muss. Dieser Bericht muss Informationen über die Menge der importierten Waren, die Art und den Ursprung der Waren, die eingebetteten Emissionen (direkt und indirekt) sowie die im Ursprungsland bereits entrichteten CO2-Preise enthalten. Seit dem dritten Quartal 2024 dürfen für die Berichterstattung nicht länger ausschließlich Standardwerte der EU verwendet werden, was die Anforderungen an die Datenerfassung und -qualität erhöht.

Zeitplan und Implementierungsphasen

Übergangsphase (2023-2025)

Seit dem 1. Oktober 2023 befindet sich der CBAM in einer Übergangsphase, in der zunächst nur Berichtspflichten, aber keine finanziellen Belastungen für Unternehmen entstehen. Diese erste verpflichtende Berichtsperiode dient dazu, Unternehmen auf die vollständige Implementierung vorzubereiten und Erfahrungen mit dem System zu sammeln. In dieser Phase müssen Importeure vierteljährlich Berichte über ihre CBAM-pflichtigen Importe und deren Emissionen einreichen, ohne jedoch CBAM-Zertifikate erwerben zu müssen.

Definitive Phase (ab 2026)

Ab 2026 tritt der CBAM in seine definitive Phase ein. Ab diesem Zeitpunkt müssen Importeure tatsächlich CBAM-Zertifikate erwerben und für die eingebetteten Emissionen ihrer importierten Waren bezahlen. Dies fällt zeitlich mit dem schrittweisen Abbau der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten im EU-ETS zusammen, was einen nahtlosen Übergang zwischen den beiden Systemen gewährleisten soll. Ab 2026 können ohne Registrierung als CBAM-Anmelder keine CBAM-Waren mehr in die EU importiert werden.

Wichtige Fristen und Entwicklungen

Für Einkaufsabteilungen sind mehrere wichtige Fristen und Entwicklungen zu beachten: EU-Unternehmen können sich ab 2025 als CBAM-Anmelder bei der zuständigen Behörde (in Deutschland: DEHSt) registrieren. Ab Mitte 2025 sollen neue Standardwerte für die Emissionsberechnung feststehen, die ab 2026 verwendet werden können. Es wird außerdem erwartet, dass der Anwendungsbereich des CBAM ab 2026 auf weitere Produktgruppen ausgeweitet wird, was eine kontinuierliche Beobachtung der regulatorischen Entwicklungen erfordert.

Betroffene Branchen und Produkte

Aktuell betroffene Sektoren

In der aktuellen Phase sind folgende emissionsintensive Sektoren von CBAM betroffen: Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Wasserstoff und Elektrizität. Diese Sektoren wurden ausgewählt, da sie einerseits durch hohe CO2-Emissionen gekennzeichnet sind und andererseits ein signifikantes Risiko für Carbon Leakage besteht. Sie repräsentieren einen bedeutenden Teil der industriellen Emissionen der EU und sind gleichzeitig international stark im Wettbewerb stehende Branchen.

Konkrete Warennummern

Entscheidend für die Anwendung des CBAM ist die beim Import verwendete Warennummer (HS-Code/KN-Code). Betroffen sind beispielsweise Eisen und Stahl (Kapitel 72 und 73), Aluminium (Kapitel 76), Zement (Position 2523), Ammoniak (Position 2814) sowie Düngemittel (Positionen 3102 und 3105). Es ist zu beachten, dass nur Waren mit nichtpräferenziellem Ursprung in Drittländern von CBAM betroffen sind. Falls die Warennummer eines Produkts in Anhang I der CBAM-Verordnung genannt ist, fällt die Ware unter die Regelung; andernfalls ist sie nicht betroffen, unabhängig davon, ob sie beispielsweise Eisen, Stahl oder Aluminium enthält.

Ausnahmen von der Meldepflicht

Es gibt verschiedene Ausnahmen von der CBAM-Meldepflicht. Beispielsweise besteht keine Berichtspflicht für Waren, die im Rahmen des Verfahrens der passiven Veredelung in ein Drittland ausgeführt und anschließend wieder in die EU eingeführt werden. Auch für Waren mit einem Gesamtwert von weniger als 150 Euro pro Sendung gilt keine Meldepflicht. Die Europäische Kommission hat im Februar 2025 außerdem eine neue CBAM-Vereinfachung vorgeschlagen, die eine Ausnahme für kleine CBAM-Importeure mit weniger als 50 Tonnen Massenschwelle vorsieht, was etwa 90% der Importeure entlasten würde, während 99% der Emissionen weiterhin im CBAM-Anwendungsbereich verbleiben würden.

Bedeutung und Auswirkungen für den Einkauf

Neue Herausforderungen für Einkäufer

Der CBAM stellt Einkaufsabteilungen vor eine Reihe neuer Herausforderungen. Die Komplexität bei der Lieferantenauswahl und -bewertung nimmt zu, da neben traditionellen Kriterien wie Preis, Qualität und Lieferzeit nun auch die CO2-Intensität berücksichtigt werden muss. Es entsteht die Notwendigkeit, CO2-Emissionen in der Lieferkette systematisch zu erfassen und zu bewerten, was neue Kompetenzen und Systeme im Einkauf erfordert. Zudem führt CBAM zu Kostenerhöhungen bei emissionsintensiven Importprodukten, was die Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung verändert und neue Make-or-Buy-Entscheidungen notwendig macht. Schließlich müssen Einkaufsabteilungen zusätzliche regulatorische Anforderungen erfüllen und Berichtspflichten umsetzen, was einen erhöhten administrativen Aufwand bedeutet.

Strategische Anpassungen im Einkauf

Einkäufer müssen ihre Beschaffungsstrategien an die neue Realität anpassen. Dies umfasst eine systematische Bewertung der CO2-Intensität von Lieferanten und Produkten sowie die Identifikation alternativer Bezugsquellen mit geringeren Emissionen. Neuausrichtungen von Make-or-Buy-Entscheidungen werden notwendig, wobei CBAM-Kosten als zusätzlicher Faktor berücksichtigt werden müssen. Die Entwicklung nachhaltigerer Lieferketten durch Zusammenarbeit mit Lieferanten wird zu einem strategischen Imperativ. Nicht zuletzt müssen CO2-Emissionsdaten in Beschaffungsentscheidungen integriert werden, was neue Bewertungs- und Entscheidungsprozesse erfordert.

Chancen für den strategischen Einkauf

CBAM bietet auch Chancen für den strategischen Einkauf. Unternehmen, die sich frühzeitig anpassen und ihre Beschaffung optimieren, können Wettbewerbsvorteile erzielen. Die Stärkung der Nachhaltigkeit in der Lieferkette trägt zur Erfüllung unternehmerischer Nachhaltigkeitsziele bei und verbessert das Unternehmensimage. CBAM fördert Innovation und nachhaltige Produktionsmethoden bei Lieferanten, was langfristig zu effizienteren und umweltfreundlicheren Produkten führen kann. Durch den Aufbau resilienter, emissionsarmer Lieferketten werden langfristige Risiken reduziert und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gestärkt.

Leitfaden: Alles Wichtige zur CBAM-Verordnung auf einen Blick

Digitalisierung als Schlüssel für effizientes CBAM-Management

Herausforderungen ohne digitale Unterstützung

Die Erfüllung der CBAM-Anforderungen stellt ohne entsprechende digitale Werkzeuge eine enorme Herausforderung dar. Die manuelle Datenerfassung für tausende Importprodukte und deren Emissionen ist zeitaufwändig und fehleranfällig. Die komplexen Berechnungen von eingebetteten Emissionen in der Lieferkette erfordern spezialisierte Tools. Die Erstellung und Einreichung von Quartalsberichten bindet wertvolle Ressourcen. Ohne digitale Unterstützung ist es zudem schwierig, Emissionsdaten systematisch in Beschaffungsentscheidungen zu integrieren und strategische Analysen durchzuführen.

Digitale Lösungen für das CBAM-Management

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sollten Einkaufsabteilungen in digitale Lösungen investieren. CBAM-Compliance-Systeme können die automatisierte Identifikation CBAM-pflichtiger Waren anhand der Zolltarifnummern unterstützen, die Berechnung von eingebetteten Emissionen übernehmen und CBAM-konforme Quartalsberichte generieren. Erweiterte SRM-Systeme sollten um CBAM-relevante Funktionen ergänzt werden, um CO2-Emissionsdaten der Lieferanten zu erfassen und zu verwalten sowie CO2-Kriterien in die Lieferantenbewertung zu integrieren.

Fortschrittliche CO2-Analytics für den Einkauf ermöglichen die Simulation verschiedener Beschaffungsszenarien und deren CBAM-Kosten, die Identifikation von Hotspots in der Lieferkette und das CO2-Benchmarking von Lieferanten und Produkten. Die nahtlose Integration in bestehende ERP- und Einkaufssysteme ist entscheidend, um eine durchgängige Datenbasis zu schaffen und CBAM-Aspekte in alle relevanten Geschäftsprozesse zu integrieren.

Vorteile der Digitalisierung für das CBAM-Management

Die Implementierung digitaler Lösungen bietet zahlreiche Vorteile: Zeitersparnis durch Automatisierung repetitiver Aufgaben, Minimierung von Fehlerrisiken bei der Berichterstattung, verbesserte Datenqualität und -transparenz sowie fundierte Entscheidungsgrundlagen durch Szenarioanalysen. Digitale Tools ermöglichen ein proaktives Management von CBAM-Risiken und -Kosten und verschaffen Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch effizienteres CO2-Management.

Ein digitaler Carbon Action Manager kann beispielsweise dabei helfen, das CO2-Emissionsrisiko und die Leistung von Lieferanten schnell einzuschätzen und sie je nach ihrem Reifegrad bedarfsgerecht einzubinden. Solche Tools bieten Zugang zu Funktionen, um die Kompetenzen der Lieferanten aufzubauen und eindeutige Verbesserungen voranzutreiben, damit Unternehmen ihren Verpflichtungen zum Klimaschutz nachkommen können.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) stellt einen Paradigmenwechsel für den internationalen Handel und die Beschaffung dar, indem er den CO2-Fußabdruck importierter Waren zu einem signifikanten Kostenfaktor macht. Für Einkaufsabteilungen bedeutet dies eine grundlegende Neuausrichtung ihrer Beschaffungsstrategien, bei der neben traditionellen Kriterien wie Preis, Qualität und Lieferzeit nun auch CO2-Emissionen systematisch berücksichtigt werden müssen. Die Implementierung des CBAM erfolgt schrittweise, mit einer Übergangsphase bis 2025 und der vollständigen Einführung ab 2026, was Unternehmen die Möglichkeit gibt, sich strategisch anzupassen und vorzubereiten.

Erfolgreiche Einkaufsorganisationen werden CBAM nicht nur als regulatorische Herausforderung, sondern als strategische Chance begreifen, um ihre Lieferketten zukunftsfähig zu gestalten, Kostenrisiken zu minimieren und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Digitale Werkzeuge und Systeme spielen dabei eine entscheidende Rolle, um die Komplexität des CBAM-Managements zu bewältigen und datenbasierte Entscheidungen zu ermöglichen. Einkaufsleiter sollten daher jetzt handeln, indem sie ihre Importstrukturen analysieren, CO2-intensive Lieferketten identifizieren, alternative Beschaffungsquellen evaluieren und die notwendigen digitalen Werkzeuge implementieren, um für die vollständige Einführung des CBAM gerüstet zu sein.

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